Heuer ist alles anders
Lassen wir einmal die Kekse weg. Dann auch die Lebkuchen. Und das Früchtebrot, den Bozner Zelten. Lassen wir den Karpfen weg, Würstel und Glühwein, Punsch und heißen Tee, Früchtetee oder Tee mit Rum. Lassen wir auch die Schokolade weg, die Mehlspeisen aller Art. Die Datteln lassen wir auch weg, und die Mandarinen, die Orangen, die Nüsse. Ja, und auch die Düfte, diesen Geruch von Zimt und Weihrauch, von heißen Kastanien und frisch Gebackenem. Lassen wir auch den Baum weg, zusammen mit Kerzen und Lametta und allem, was an ihm hängt. Keine Sterne aus Stroh oder Blech, keine Engel aus Holz, Papier oder was sonst. Und dann lassen wir auch gleich die Geschenke weg, die Maschen aus bunten Bändern, die Verpackungen, die Schachteln mitsamt dem, was sie als Verheißung enthalten. Das lassen wir alles weg. Auch keine Glückwünsche, weder schriftlich noch mündlich, endlich keine Glückwünsche mehr, keinen Zwang, allen alles Gute zu wünschen, eine Flut von Karten, Botschaften, schriftlich, mündlich, gedruckt, mit der Hand geschrieben, gestempelt, abgeschaut von anderen oder selbst ersonnen. Nichts mehr von dieser Pandemie der Glückwünsche, dieser unaufhaltsamen Verpflichtung, doch allen alles Gute zu wünschen zu Weihnachten. Und kein Einkaufen mehr, keine Hetzjagd mit Listen, die doch nicht zu erledigen sind, immer mit dem unguten Gefühl, dass irgendjemand vergessen wurde, irgendjemand übersehen worden ist, irgendjemand enttäuscht werden könnte. Nein, keine Großtanten, keine Nichten, keine Großeltern und Urgroßeltern, keine Neffen und Patenkinder mit all ihren geheimen und offenen Wünschen, ihren Erwartungen, auch keine Familienangehörigen, die sich Weihnachten nur so vorstellen, wie es immer gewesen ist, wie sie es nun einmal gewohnt sind. Nicht dieser Zwang, freundlich zu sein, zu lächeln und gute Laune zu verbreiten, dieser Zwang zum Glück. Lassen wir das weg. Und dann auch nicht diese Krippen mit ihren Engeln und Schafen, mit Hirten und Herden und all dem, was sich die Phantasie um ein im Stall liegendes Neugeborenes alles zusammenreimt.
Lassen wir auch die Weihnachtsmusik weg, dieses immer gleiche Geleier in den Dezembertagen, in Kaufhäusern, auf der Straße, zu Hause. Lassen wir einmal all das weg, was Weihnachten immer ausgemacht hat, was es so gemütlich, so
beglückend, so heimelig gemacht hat. Lassen wir all das weg.
Was bleibt?
Stille, Nacht. In dieser Stille, in dieser Nacht ist etwas geschehen und geschieht noch immer. Etwas, das in all dem Lärm, den wir erzeugen, nicht mehr zu hören, in all dem Licht, das wir anzünden, nicht mehr zu sehen ist. Vielleicht ist es gut, in diesem so besonderen Jahr vieles wegzulassen. Um besser zu hören, besser zu sehen, um besser wahrzunehmen, was im Stillen und im Dunklen entgegenkommt.
Heuer ist ja alles anders.
Gesegnete Weihnachten! Gustav
Schörghofer SJ
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