Mitteilungsblatt Dezember 2018

So merket nun das Zeichen recht

Beleidigungen, Achtlosigkeit und Ignoranz sind überall anzutreffen. Vorwürfe folgen der falschen Interpretation von Gesagtem. Angenommen werden nicht gute, sondern niedrige Beweggründe. Weite Bereiche der Wirklichkeit werden ausgegrenzt, übersehen, verdrängt. Wer sich verletzbar macht, sich exponiert, wird übergangen oder als Schwächling behandelt, ein Würstel, eine lächerliche Figur. Wer nicht mitmacht beim allgemeinen Geschrei, dem immer lauter werdenden, sich ins Unerträgliche steigernden Kampf um Aufmerksamkeit, der wird gar nicht wahrgenommen. Die Stillen, die Verletzlichen, die Sanften und Unauffälligen haben keinen Platz in diesem Getümmel.

Christian Hutzinger ist ein stiller Künstler. Auch seine Arbeiten sind still. Die von ihm bemalte Wand in der Konzilsgedächtniskirche bleibt mit ihren feinen Bezügen zur Architektur sehr zurückhaltend. Durch eine Schar davor aufgestellter Sänger ist sie nun schwer beschädigt. Wer sieht das? Wen kümmert das?

Unsere Pfarrgemeinde nimmt sich jener Menschen an, die in Not geraten sind. Wir erfahren viel Unterstützung.
Wir werden lernen, genau zu sehen, uns zu kümmern. Wir werden Not auch dort entdecken, wo sie verborgen ist. Und nicht nur Not, auch die Stärke der anderen Menschen werden wir entdecken, ihren Erfindungsreichtum, ihren Lebensmut, ihre nicht zu entmutigende Freude. Wer präzise wahrnimmt, wer sich der Realität nicht verweigert, entdeckt Schätze dort, wo nur Not und Bedrängnis zu herrschen scheinen. Warum sich Gedanken machen um ein beschädigtes Kunstwerk, das ohnehin bald übermalt wird? Weil die Art, wie Kunstwerke wahrgenommen werden nicht von der Art, wie Welt und Menschen erkannt werden, zu trennen ist. Beides hängt zusammen, bedingt sich, bekräftigt sich gegenseitig. Kunstwerke, Musik, Dichtung sind geschenkt, um uns im Besten unseres Lebens zu bestärken, in unserem Mut zum Zarten, zum Verletzlichen, zum Kleinen und Ausgelieferten.

Vieles von dem, was gesagt und geschrieben wird, verhallt scheinbar ungehört, versickert scheinbar ungelesen. Warum das unaufhörliche Mühen um die Gegenwart eines atmenden Raums, in dem vor allem das Leise, das Unauffällige, das Stille und Verletzliche einen Ort finden? Dieses Mühen ist notwendig, wenn wir jenem Gott die Treue halten wollen, der für uns Mensch geworden ist. Weihnachten ist kein Fest der Gewinner, der Ich-Sager, der in den ersten Reihen breit aufgepflanzten Bedeutsamen. Weihnachten ist ein Fest der Stillen, derer, die sich in ihrer Verletzlichkeit, ihrem Zugehen auf die anderen immer wieder zum Narren machen. Weihnachten ist das Fest eines Gottes, der sich für uns zum Narren macht. Warum tut er das? Wohl nur, um das Lieben zu lernen, er mit uns und wir mit ihm. Deshalb geht er aus sich heraus, deshalb macht er sich verletzlich. Er tut das für uns, wir können es für ihn und mit ihm tun.

Ein schönes Weihnachtsfest! Gustav Schörghofer SJ