Zeiten des Übergangs
Wir leben in Zeiten des Übergangs. Wohin führt dieser Übergang? Werden unsere Welten geistiger, weil sie vom Körperlichen immer mehr loskommen? Im Zentrum des Christlichen steht die Menschwerdung Gottes: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“. Das Eingehen in Gott bedeutet für Christinnen und Christen das Eingehen in die Welt, in das Fleisch und Blut des Körperlichen. Die Nähe zu Gott ist ohne physische Nähe zur Welt, zu den Menschen nicht zu finden. Wenn in der Messe das Entgegenkommen Gottes vergegenwärtigt und gefeiert werden soll, muss die Gemeinde gemeinsam mit dem Priester physisch präsent sein. Die Feier der Messe muss öffentlich geschehen, da niemand, der zur Gemeinschaft der Glaubenden gehört, von ihr ausgeschlossen werden kann.
Ich kann daher keine Messe hinter verschlossenen Türen feiern. Wenn die öffentliche Feier der Messe nicht möglich ist, verzichte ich auf die Feier. Ich verzichte gemeinsam mit der Gemeinde. Der Verzicht ist schmerzlich, da die Messe den Kern dessen bildet, was die Gemeinde lebt und bekennt. Hier wird das Entgegenkommen Gottes erfahren, um aus dieser Erfahrung hinauszugehen und an der Verwandlung der Welt in Gott hinein mitzuwirken. Aus der Feier der Messe kommt Kraft und Bestärkung. Doch unseren Dienst in der Welt und für die Welt können wir auch ohne diese Feier tun.
Es ist, als tauchten wir ein in ein großes Schweigen. Ich denke an den wunderbaren Roman von Shusaku Endo, „Schweigen“. Ich denke auch an die Stille, die in zeitgenössischer Musik zu erfahren ist, eine gestaltete Stille. Oder an das Schweigen, das in Kunstwerken Gestalt annehmen kann. Frühere Jahrhunderte der europäischen Kultur waren beredt. Was wussten sie nicht alles von Gott und den Heiligen zu erzählen. So laut das vergangene Jahrhundert und unsere Gegenwart erscheinen mögen, in gewisser Hinsicht ist es doch merkwürdig still geworden. Schweigt Gott? Oder spricht er eine Sprache, die wir noch nicht verstehen. Das Wort ist Fleisch geworden. Wir sind vielleicht noch zu wenig Fleisch geworden, um dieses Wort zu verstehen.
Die Wärmestube, die sozialen Dienste der Pfarre, die Hilfen für Menschen, die es schwer haben im Leben, die Aufmerksamkeit für Andere, für Einsame und Glückliche, für Traurige und Lebensfrohe, für Bedrückte und Heitere, für Schwache und Starke, die Gestaltung des Raumes der Konzilsgedächtniskirche und seines Schweigens, das stille Verweilen in diesem Raum, die Freude und Dankbarkeit für die aufmerksame Gegenwart so vieler Menschen: all das sind Hilfen, um gemeinsam mit Gott Fleisch zu werden und jenes Wort verstehen zu lernen, das uns Tag für Tag im Stillen zugesprochen wird.
Einen gesegneten Advent! Gustav Schörghofer SJ
zum Downloaden: Mitteilungsblatt bis zum 6. Dezember