Lass dir helfen
Vieles gibt es zu bedenken, wenn vom Helfen die Rede ist. Kann geholfen werden? Soll geholfen werden? Wie soll oder kann geholfen werden? Meistens geht es um praktische Fragen. Wer sich selbst nicht zu helfen weiß, ist auf die Hilfe anderer angewiesen.
Es lohnt sich, die Frage nach der Hilfe nicht einfach bloß im Horizont eigener oder fremder Bedürfnisse zu stellen, sondern darauf zu achten, dass wir in einem weiten Feld gegenseitiger Hilfe leben. Anders wäre Leben gar nicht möglich. Nicht nach dem Wie und Wo und Wann und Ob der Hilfe zu fragen, sondern wahrzunehmen, dass es Hilfe gibt, dass Hilfe gelebt wird, dass mein und unser aller Leben eingetaucht ist in einen Strom des Entgegenkommens, das öffnet eine völlig neue Dimension des Lebens. Von Anfang meines Lebens an habe ich Hilfe erfahren. Jede und jeder könnte viel davon erzählen, wie sehr anderes und andere geholfen haben und immer noch helfen. In praktischen Dingen ist das leicht erfahrbar. Die Hilfe geht aber weit darüber hinaus. Kunst ist Hilfe, wie der Bildhauer Karl Prantl einmal gesagt hat. Musik, Dichtung, Literatur, Kunst im allgemeinen, all das ist Hilfe. Sie ist keine Hilfe zur praktischen Lebensbewältigung, aber sie hilft, in diesem Leben etwas wahrzunehmen, das Leben erst möglich macht: Wir werden getragen von einem großen Entgegenkommen. Dieses Entgegenkommen kann in den Werken der Kunst erfahren werden. Diese Erfahrung ist mit der Erfahrung einer tiefen Freude verbunden, die das Erleben von Kunstwerken vermitteln kann.
Auch der Glauben ist Hilfe. Nicht im banalen Sinn eines billigen Trostes, sondern im tiefen Sinn der Erfahrung von Geborgenheit im großen Entgegenkommen Gottes. Dieses Entgegenkommen wird in der Bibel immer wieder beschrieben, ja mehr noch, es wird erlebbar gemacht. Eine Sensibilität für dieses Entgegenkommen kann durch das Wort der Bibel eingeübt werden. Möglicherweise haben frühere Zeiten Gottes Entgegenkommen spektakulärer erfahren, strahlender, offenkundiger. Heute herrscht weitgehend der Eindruck vor, Gott würde schweigen. Wer aber sensibel geworden ist für die Sprache Gottes, erfährt sein Entgegenkommen auch heute. Ein Blick auf die Gestalt Jesu tut völlig neue Zugänge zur Erfahrung der Gegenwart Gottes auf. Wir müssen die Sprache der kleinen Dinge, der unscheinbaren Gesten, des unmerklichen Heldentums eines alltäglichen Dienstes lernen. Nur so kann der Glauben heute bestehen. Und dann entdecken wir staunend, dass der Glauben weit mehr ist als frommes Beiwerk. Er ist Hilfe zum Leben.
Also: Lassen Sie sich helfen. Gustav Schörghofer SJ
zum Downloaden: Mitteilungsblatt Februar