Mitteilungsblatt Februar 2020

Ernsthaft

Beim Hören der Nachrichten beschleicht mich immer wieder ein merkwürdiges Gefühl. Es ist der Eindruck, dass hier etwas verschwiegen wird, nicht zum Ausdruck kommt, ja eigentlich gar nicht als nennenswert empfunden wird. Mir fehlt der Sinn für Ernsthaftigkeit. Denn was als Neuigkeit aus aller Welt geboten wird, ist eine Ansammlung von Frivolitäten. Grauenhaft anzuhören, wie das Morden und Töten im Irak und im Iran zum frivolen Spiel um Macht verkommt. Grauenhaft zu erleben, wie die frivolen Machtspiele europäischer Innenpolitik das Leiden und die Not ungezählter Flüchtlinge gar nicht in das Blickfeld kommen lassen. Grauenhaft ist auch der frivole Ästhetizismus einer europäischen Kultur, die sich in Selbstbespiegelung erschöpft.


Ernsthaftigkeit bedeutet keineswegs Mangel an Humor oder eine fehlende Fähigkeit zu lachen. Karl Valentin ist ernsthaft. Doch sein Ernst ist derart radikal, dass das Lachen unerlässlich ist. Er wäre sonst nicht zu ertragen, würde einen erdrücken. Das Lachen hebt den Ernst nicht auf. Es schenkt aber die zum Handeln nötige Freiheit.
Wenn ich etwas ernsthaft betreibe, muss ich mir über die Gründe meines Tuns im Klaren sein. Diese Gründe müssen außerhalb meiner eigenen Interessen liegen. Mein Tun muss von dem klaren Willen geleitet sein, dem Leben der Anderen zur Entfaltung zu verhelfen. Ernsthaftigkeit bedeutet, mich selbst und mein Gegenüber wahrzunehmen und anzuerkennen. Ernsthaftigkeit bedeutet, um das Wohl des Anderen bemüht zu sein und ist das Gegenteil jenes frivolen Spiels, in dem jeder vor allem anderen seinen eigenen Vorteil sucht. Ernsthaftigkeit ist daher für das Gelingen des Zusammenlebens der Menschen untereinander und für das Gelingen ihres Zusammenlebens mit den Lebewesen und allem Unbelebten dieser Welt unerlässlich.


Wer ist ernsthaft in der Literatur? Karl Valentin, Samuel Beckett, Thomas Bernhard, Friederike Mayröcker, Elfriede Jelinek. Wer ist ernsthaft in der Kunst? Mark Rothko, Barnett Newman, Agnes Martin, Maria Lassnig, Meina Schellander, Gabriele Rothemann, Helmut Federle. Wer ist ernsthaft in einer Pfarrgemeinde? Jene, die den Anderen wahrnehmen und mit Herz und Verstand für den Anderen da sind. Ernsthaftigkeit ist eine Angelegenheit der präzisen Wahrnehmung und eines Könnens, das gleichermaßen in Mitgefühl und Sachverstand verwurzelt ist. Die ernsthaften Menschen einer Pfarrgemeinde, Kinder, Jugendliche, Erwachsene, werden sich nicht von Dank oder Anerkennung anderer abhängig machen. Was sie tun, tun sie, weil sie die Welt ernst nehmen. Darin gleicht das Tun ernsthafter Menschen dem Tun Gottes.

Ganz im Ernst wünsche ich Ihnen einen schönen Fasching. Gustav Schörghofer SJ