Für die Zeit nach Pfingsten
An ferne Galaxien denken, an kreisende bunte Nebel unzähliger Sterne, an die Vorgänge im Inne-ren der Sonne denken und an jene im Inneren eines Atoms, an die Planeten denken auf ihren Bah-nen um die Sonne und an das stille Kreisen des Mondes um die Erde, den Wind in den Bäumen hö-ren und die zarten Lindenblüten, ihr Aufblühen und Welken vor Augen haben, den Duft der Linden, das Keimen frisch gesäten Grases, die liebevollen Gesten vieler Menschen Tag für Tag, ihre unge-trübte Aufmerksamkeit, an den hochgewölbten Leib von Raphaela denken, an das Kind in ihr, das schon knapp vor der Geburt sich regt und sein wunderbares eigenes Leben entfaltet, an die Schwalben denken, die in spitzen Winkeln rasend schnell auf und ab und hin und her sausen, an das Schreiten der Krähe, ihr wachsames Wandeln, stets geahnter Gefahren gewärtig, das Pochen des Pulses spüren, an das Strömen des Blutes denken und an die unfassbare Vielfalt des Lebens im Darm, an das Denken denken und die Gestaltwerdung der Sprache, Wörter, Sätze, Bilder, Zeichen, Gesten. Und daran denken, dass all das geschieht ohne mein bewusstes Planen, Organisieren, Kon-trollieren. Es geschieht aus sich heraus, frei, von selbst.
Jesus hat das Himmelreich in Bildern dargestellt. Immer wieder ist vom Wachsen die Rede, doch dieses Wachsen geschieht von selbst. Es ist von einem verborgenen Schatz die Rede oder von einer besonders kostbaren Perle, doch diese Schätze müssen entdeckt, sie können nicht erarbeitet wer-den. Nie ist davon die Rede, dass es sich beim Himmelreich um etwas handelte, das durch planmä-ßiges Vorgehen organisiert, durch harte Mühe erkämpft werden müsste, dessen Realisierung ei-nem professionellen Wirken zu verdanken wäre. Das Angestrengte unserer gegenwärtigen Gesell-schaft, ihr Bemühtes in zahllosen Kontrollen, in Strukturen und Organisationsentwicklungen ist hier nicht zu finden, auch nicht ihr rastloser Verbesserungstrieb und Erneuerungsdrang. Hier redet und handelt einer, der die Welt im Großen sieht und in ihr das Wirken eines allgegenwärtigen Geistes.
An diesen Geist denken. Daran denken, dass er in mir wirkt. Daran denken, dass er in anderen wirkt. Und dieses Wirken Tag für Tag entdecken, immer neu, mit staunenden Augen und wachen Ohren, mit feinem Gespür und dem rechten Riecher. Und so eine Gelassenheit einüben, die in den überanstrengten Welten der Allesorganisierer schon längst nicht mehr anzutreffen ist. Die Gelas-senheit des Aussteigers, der weiß, dass er im Leben geborgen ist.
Gustav Schörghofer SJ
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