Mitteilungsblatt Juni 2021

Gebautes und Geformtes

Florian Schaumberger wohnt mit seiner Familie in einer alten Mühle im Thayatal, weit ab vom nächsten Dorf im nördlichen Waldviertel. Bis vor wenigen Jahren war die Mühle noch nicht an das Stromnetz angeschlossen, und wir saßen am Abend bei Kerzenlicht beisammen. Um die Mühle herum stehen in einer herrlichen Wiese viele Obstbäume, aus deren Früchten Florian einen feinen Schnaps zu brennen weiß. Und hinter der Mühle fließt die Thaya vorbei, meist ruhig, manchmal aber ein reißender Fluss, der über die Ufer tritt und das Umland überschwemmt.
An diesem stillen und abgelegenen Ort sind die drei Skulpturen entstanden, die bis Ende September in der Konzilsgedächtniskirche aufgestellt sind: 3 Klang – Drei Männer mit Hut (Eisen geschwärzt, 2018, H 210 cm), AHEAD I und AHEAD II (Stahl, 2020, H 230 cm). Sie stehen mitten in unserer Zeit und sind zeitgemäß, denn sie führen etwas vor, dessen wir heute dringend bedürfen. Wie das Echo nach dem Ende einer Musik hallt in ihnen ein altes Thema der europäischen Kunst seit 3000 Jahren nach. Es hat ganz den Anschein, als wäre die Tradition dieser Kunst im vergangenen Jahrhundert an ein Ende gekommen, ganz so, wie in Europa die überlieferte Form des Christentums an ein Ende gekommen ist. Nicht das Christentum, wohlgemerkt, sondern seine von alters her gewohnte Form. In der Kunst des 20. Jahrhunderts wurde vieles aufgegeben und vieles neu entdeckt. Auffallend ist die große Reduktion, die sich in der Wendung zu sehr einfachen Formen zu erkennen gibt. So stehen die Skulpturen von Florian Schaumberger als karge Stelen vor uns. Spürbar hallt in ihnen das große alte Motiv der aufrecht stehenden Figur nach. Doch von der Vielförmigkeit und Naturnähe der alten Figuren ist nichts geblieben. Sie sind auf Wesentliches reduziert, geometrisch abstrakte Gebilde, die eine Haltung elementar vor Augen führen. Vielleicht passen sie gerade deswegen so wunderbar in den modernen Kirchenraum, dessen Architektur ihrerseits elementar ist, frei von allem Verspielten. An diesem Ort verkörpern die drei Skulpturen eine Haltung des stillen Aushaltens und der Konzentration, ein Innewerden des Daseins in der Gegenwart.
Der von den Skulpturen vorgeführten Haltung konzentrierter Stille, eines Innewerdens gegenwärtigen Lebens, bedürfen wir in unserer Zeit der Erschütterungen und Verunsicherungen, des Endes alter Lebensmuster mehr als je zuvor. Nicht zufällig wird hier auf jede Weisung und Belehrung, auf das Vortragen von Inhalten und überlieferten Erzählungen verzichtet. Es bleibt allein die aufrechte Haltung, es bleibt der Rhythmus der strengen Formen im Aufwachsen der Gebilde. Mehr ist auch nicht nötig. Denn alles andere muss im Leben und Feiern derer Gestalt annehmen, die den Heiligen Geist empfangen haben.
Die Figuren sind gebaut. Und auch wir sind ein Bauwerk, aber aus lebendigen Steinen.
Gustav Schörghofer SJ