zum Downloaden: Mitteilungsblatt März
Liebe Pfarrgemeinde!
Passiert Ihnen das auch, dass sie manchmal einen altvertrauten Text ganz neu hören?
Passieren kann das nicht, wenn man direkt nach den ersten Worten abschaltet. Ist doch eh alles bekannt. Ich muss mich immer zwingen, den ganzen Text aufmerksam zu lesen. Besser ist es noch, wenn man den Text vorgelesen bekommt. Für mich ist es an einem Mittwoch passiert. Messe um 8:30 Uhr. Da heißt es bei der Geschichte von Noah, dass er am Ende der Flut das Dach von der Arche entfernt. Erst dann sieht er, dass das Wasser abgelaufen ist. Hat denn Noah nicht schon zwei Vögel rausgeschickt und eben auch gesehen was draußen los ist? Vielleicht habe ich früher auf diese Feinheiten nicht geachtet. Es hat mich auf jeden Fall richtig getroffen.
Die Fastenzeit, die bald beginnt, kann eine Zeit sein, in der wir auf Feinheiten achten, in der wir uns betreffen lassen, in der wir das Dach entfernen, um nicht aus dem alt vertrauten Fenster auf die Welt zu blicken.
Wenn man will, dann bringt man es auch noch mit der Pfarrgründung zusammen (Gründungsmesse am 2. März um 10 Uhr in der Pfarrkirche). Viel Energie wurde bisher in das Formale investiert und zum Glück auch in die Gestaltung der Gründungsmesse. Es ist aber immer noch ein wenig wie bei Noah. Der Blick ist gerichtet durch ein Fenster und nur auf einen kleinen Ausschnitt des Himmels.
Jetzt kommt für uns wieder die Zeit, das Ganze in den Blick zu nehmen. Was kam zu kurz, was wurde übersehen, was wäre jetzt dran? Wenn die Fastenzeit Zeit zur persönlichen Orientierung ist, ist es dann nicht auch möglich, auch als Einrichtung/Organisation/Kirche Impulse aus ihr zu gewinnen? Das wäre dann so, wie wenn in einer Familie nicht nur die einzelnen sich auf einen Weg machen, sondern alle zusammen und nicht nur parallel.
Das geht in die Richtung einer nach außen gerichteten und eher aktiven Fastenzeit. Es gibt aber auch die andere Variante, dass die Aktion ruhen darf. Nicht immer etwas zusätzlich tun und bloß in Bewegung bleiben. Man wechselt nur von einer Tretmühle in die nächste und die darf dann gerne auch etwas größer sein und vielleicht noch schneller laufen. Wenn man das Dach wegreißt, dann kann die Perspektive ganz anders werden. Dann ist vielleicht das Tun nicht die Standardantwort auf alle Fragen.
Sie sehen schon, ich komme eher aus der Aktivität. Für andere zeigt das Fenster auf Nachdenken und Erwägen. Sie kennen sicherlich Ihre ausgetretenen Pfade und oft suchen wir Antworten entlang dieser Sichtachsen. Fastenzeit kann der Moment sein, das ganze Spektrum zu sehen. Fastenzeit ist eine Gnadenzeit. Sie kann uns richtig guttun. Vielleicht haben wir die Fastenzeit einfach immer falsch erlebt. Das ist wie bei der Beichte. Der Ramadan ist ein fröhlicher Monat, auf den man sich freut. Freuen wir uns auch auf die Fastenzeit, weil es sich weitet und Raum für Neues entsteht.
Ihr P. Stefan Hengst SJ