Mitteilungsblatt Oktober 2022

​Die Schönheit des Dankes

Die Schönheit des Dankes nicht in Orchideen suchen, sondern in einem Strauß von Gänseblümchen. Sie nicht in üppigen Reden suchen, sondern im Klang eines schlichten Wortes. Sie nicht in kostbaren Gaben suchen, sondern im Unscheinbaren, dem Zeichen tiefer Zuneigung. Sie nicht dort suchen, wo aus dem Überfluss etwas abgegeben wird, sondern dort, wo liebevolle Aufmerksamkeit auch dem Kleinsten Glanz verleiht. Dort ist die Schönheit des Dankes zu entdecken, dort leuchtet sie auf.

Warum soll der Dank schön sein? Genügt es nicht, einfach formell zum Ausdruck zu bringen, dass ein erfahrenes Entgegenkommen nicht als selbstverständlich gewertet wird? Vielleicht mag es vielen genügen. Man hat einer Pflicht Genüge getan, sich für eine Einladung, ein Geschenk, einen Gruß bedankt. Doch bleibt denen, die es damit genug sein lassen, eine ganze Welt verschlossen. Welche Welt?
Wir können eine Welt erobern, an uns reißen, uns ihrer bemächtigen. Wir können durch geduldige und lange Arbeit Besitz anhäufen und ihn als Selbstverständlichkeit in Anspruch nehmen, da wir entsprechende Leistungen vorzuweisen haben. Wir werden den Besitz aufzehren, das uns Zustehende konsumieren, doch dankbar werden wir nicht sein. Der Dank geht in der Spur des Geschenks. Er wird dort erweckt, wo die Erfahrung des unverdienten Entgegenkommens gemacht wird. Der Dank ist eng mit den Erfahrungen von Kindern verbunden. Denn sie sind auf das Entgegenkommen anderer angewiesen. Die Erwachsenen wissen sich selber zu helfen. Das lässt den Dank erlahmen. Doch wer sein Leben mit anderen teilt, weiß oft nicht mehr, wie sich selber helfen. Er oder sie ist auf das Entgegenkommen anderer angewiesen. Und damit erschließt sich eine andere, eine neue Welt.
Es gibt die Welt der Aufmerksamen. Es gibt die Welt derer, die ohne die Anderen nicht leben wollen. Es gibt die Welt derer, die bereit sind, immer neu zu beginnen, zu verzeihen, die sich nicht von der Last der Erfahrung die Lust am Entdecken nehmen lassen. Es gibt die Welt derer, die Tag für Tag Gegebenheiten und Ereignisse als Geschenk zu erkennen wissen, die in allem ein großes Entgegenkommen wahrzunehmen wissen. Ihnen erschließt sich die Welt in einer wunderbaren Schönheit. Und in ihnen wird der Sinn dafür wachgerufen, dass sie selber dazu berufen sind, diese Schönheit zu hüten und zu mehren. Ihr Dank wird schön sein. Die Schönheit des Dankes ist in der Hingabe des Lebens begründet. Sie wird in kleinen Gesten des Alltags gelebt, im beruflichen Können, in Geduld und unermüdlichem Bemühen, in der Eleganz des Benehmens und im schlichten Geschenk eines Kindes. Den großen Gesten ist zu misstrauen. Die Schönheit der Hingabe und die Schönheit des Dankes zeigen sich im Unscheinbaren.
So werden wir auch in dieser erschütterten Welt leben. Gustav Schörghofer SJ

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