Die große Hitze
Aus der Zukunft wehen heiße Winde. Der Wind der Gottesliebe und der Wind der Eigenliebe sind alles verzehrende Feuersgluten. Was verzehren sie? Die Glut der Gottesliebe nimmt mir alles, was mich von Gott trennt, Eigenwillen, Eigeninteressen, was immer der Eigenliebe entspringt. Niemals verzehrt die Glut der Gottesliebe das Leben anderer Menschen, das Leben von Tieren und Pflanzen, ja auch nicht die Dinge dieser Welt. Die Glut der Eigenliebe verzehrt dagegen alles, was ihr im Wege ist, auch Menschen und Tiere, Dinge, Lebewesen aller Art.
Der heiße Wind der Gottesliebe ist vom heißen Wind der Eigenliebe kaum zu unterscheiden. Vielfach tritt die Eigenliebe in Gestalt der Gottesliebe auf. Sie spiegelt vor, Gott im Sinn zu haben. Doch wer genau hinsieht entdeckt, dass es ein selbst geschaffener Gott ist, ein Gott im Sinn seiner Erzeuger. Es gab schon den arischen Gott und den proletarischen Gott. Heute gibt es den Kontrollgott und den Zentralisierungsgott, den Leistungsgott und den Konsumgott. Diese Götter sind viel raffinierter als die alten. Sie sind frei von Ideologie, frei von der Bindung an bestimmte soziale Schichten oder an bevorzugte Völker. Sie fordern Hekatomben und sind unersättlich. Sie sind unersättlich, weil sie nur durch permanente Opfer gegenwärtig bleiben. Werden ihnen keine Opfer mehr gebracht, verschwinden sie. Sie lösen sich von selbst auf. Doch die Eigenliebe derer, die mächtiger sind als andere, verschafft ihnen immer neue Opfer. Sie opfert ihnen die Gesundheit und das Leben anderer Menschen, das Leben von Tieren und Pflanzen. Sie opfert die materielle Grundlage des Lebens künftiger Generationen.
Der heiße Wind der Gottesliebe fordert keine Opfer. Er verzehrt in seiner Glut die Eigenliebe und kann Menschen letztlich dazu bewegen, sich von ihm verzehren zu lassen. Sie gehen ganz auf in der Glut der Gottesliebe und werden eins mit ihr. Das gibt es. Solche Menschen brauchen wir heute. Wir können selbst zu solchen Menschen werden. Wir brauchen keine religiösen Menschen, denn religiös sind alle. Alle beten etwas an und alle werfen sich vor Göttern nieder. Doch wir brauchen Menschen, die sich in den heißen Wind der Gottesliebe stellen und sich von ihm verwandeln lassen. Dann gibt es einen anderen Klimawandel als jenen, den wir zurzeit erleben.
Gustav Schörghofer SJ
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