Mitteilungsblatt April 2018

Zu Ende

Dass Gott sterben könnte, ist ein schrecklicher Gedanke. Wenn Gott tot ist, bleibt nichts mehr. Das Weltall schweigt. Wir werden von Schweigen umgeben und sinken in dieses Schweigen ein. Bald ist alles so, als wären wir nie gewesen. Als wäre nie etwas gewesen. Der Gedanke, Gott sei tot, ist unerträglich. Neben den toten Gott werden Götter gestellt, die den Leichnam verdecken sollen. Macht, Ehre, Ruhm, Reichtum sollen den Blick in die gähnende Leere verstellen. Doch das Schweigen und die Leere der unendlichen Räume um uns sind mächtiger. Sie verschlingen uns, unsere Kultur, alle unsere Errungenschaften, was immer uns wertvoll war.

Was Auferstehung ist weiß nur der, dem alles genommen worden ist. Auch Gott muss sterben. Am Kreuz ist Gott gewissermaßen gestorben. Im Johannesevangelium wird das Sterben Jesu als ein Tun geschildert: Dann neigte er den Kopf und übergab den Geist (19,30 in der Übersetzung von Fridolin Stier). Jesus übergibt den Geist – wem? Gott stirbt in Gott hinein. Jesus stirbt den Tod der Menschen in Gott hinein. Und nun? Aus dem Tod ersteht der Menschgewordene zu neuem Leben.

Was mich an Jesus fasziniert ist, dass sich in ihm, im Mensch gewordenen Gott, Gott auf die Suche nach dem Menschen macht. Gott geht aus Liebe zum Menschen jedem Menschen nach, er sucht ihn auch noch in den fernsten Tiefen der Gottverlorenheit. Jesus stirbt den Tod eines Verbrechers, um den Menschen auch dort aufzusuchen, wo niemand hinwill. Er steigt hinab in die Unterwelt, in das Reich des Todes, er begibt sich dorthin, wo alles zu Ende gekommen ist. Er geht diesen Weg aus Liebe. Aus Liebe zeigt er dem Menschen, dass dort, wo alles zu Ende ist, alles neu beginnen kann.


Nur wer die Erfahrung des Endes gemacht hat, wer eine Ahnung vom Grauen des Schweigens der unendlichen Räume bekommen hat, wer Vernichtung und Untergang erlebt hat, wird auferstehen können. Ich muss mich einer Liebe anvertrauen, die mir alles nimmt, um mir alles neu zu geben. Mehr noch: ich muss diese Liebe selber leben, ich muss dorthin gehen, wo mir alles genommen wird. Mehr noch: ich muss alles aus Liebe geben. Dann gelange ich an den Ort, wo Gott zu finden ist. Ein Gott, der alles neu macht.

Und das geschieht mitten im Alltag. Es geschieht in den kleinen Dingen, im Unscheinbaren und im Stillen. Es geschieht im Nebensächlichen und im Übersehenen. Jesus Christus ist der Gott der kleinen Dinge. Er ist der Gott derer, die am Rand stehen, derer, die keine Macht besitzen und sich selber nicht helfen können. Jesus Christus ist ein Skandal. „Und selig ist, wer an mir kein Ärgernis nimmt.“ (Lk 7,23) Er ist der Gott derer, die zugrunde gehen. Er geht mit ihnen zu Grunde. Und er geht mit denen weiter, die sich ihm und seiner Liebe anvertrauen.


Gustav Schörghofer SJ